Herjólfur aus Island - Unser Weg in die Stille

Herjólfur – Unser Weg in die Stille


(Im Januar 2024 kauften wir einen Isländerwallach aus Island. Er war 3 Monate zuvor mit 11 Jahren importiert worden. Er war also noch relativ neu in Deutschland und ich war Wiedereinsteiger. Eigentlich wollte ich nur Reitstunden nehmen und verließ den Stall als Pferdebesitzerin...unsere Reise begann.

6 Monate später verließen wir Schwaben und zogen nach Niederbayern, was wir beim Kauf von Hery überhaupt noch nicht ahnten...)


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Als wir im Sommer 2024 im neuen Stall ankamen, tat Hery das Naheliegendste:

Er schlief. Zwei Tage lang.

Er holte nach, was ihm so lange fehlte – Ruhe, Schutz, ein Raum für sich allein.

Keine Kämpfe um einen Unterstand mehr, keine Enge.

Nachts lag er in seiner eigenen Paddockbox, tagsüber immer in Bewegung auf dem gesamten Gelände. Und vor allem: endlich wieder Weide. Gras, das er so vermisst hatte.

Am Waldrand, inmitten der sanften Hügellandschaft, begannen wir beide wieder durchzuatmen.


Das war Hery im Herbst 2023, bevor ich ihn kaufte. So lerne ich ihn kennen

Hery lernt seinen neuen Paddock und seine Box kennen. Tagsüber stehen alle Boxen offen und die Pferde bewegen sich frei. Nachts hat jeder seinen Raum zum Schlafen und Ausruhen.

Endlich wieder Weide. Im alten Stall hatte ich ihn bereits angeweidet, denn dort durften die Pferde nur sehr unregelmäßig und kurz raus. Hier darf er erstmal alleine raus, da er die neue Herde noch nicht kennt. Übrigens ist das sein ersten Sommer in Deutschland. Zur Vorsichtsmaßnahme komplett eingedeckt, da er immer wieder kleinere Problemstellen auf der Haut zeigt.Im zweiten Sommer und nach umfangreicher Erfahrung trägt er nun nur noch ein Halsteil. Wie wir so schnell so weit gekommen sind und wie ich ihn stabilisieren konnte, werde ich in einem anderen Beitrag erläutern!

Im Herbst 24 waren wir dann schon gut unterwegs, gingen so oft wir möglich ins neue Gelände. Aber in mir war da oft ein ungutes Gefühl - irgendwas stimmte nicht mit seinen Bewegungsabläufen, mit seiner Kraft im Allgemeinen. Schon im alten Stall hatte ich gespürt, dass etwas nicht rund lief. Kein klares Lahmen, aber ein Bild, das nicht stimmte: seine Vorhand verspannt, sein Gang unsauber, wenig Schub, oft müde. Etwas in ihm hielt zurück. Die Suche begann:


Osteopathie, Duplos statt Eisen, ein anderer Sattel, Entgiftungskuren. Der Tierarzt sprach von einer möglichen Ataxie.

Und doch – keine Besserung.


Nachdem er zweimal heftig gestolpert war,  entschieden wir uns gegen das Reiten.  Nur noch Bodenarbeit, Spaziergänge, Führen.

Ich begann, ihn selbst zu behandeln – mit einer feinen Akupressur-Methode. Ich spürte tiefe Verspannungen im Hals, in der Schulter. Und noch etwas zeigte sich wieder: seine Traurigkeit. Eine leise, alte Trauer, die unter allem lag und in der ich ihn schon in den ersten Wochen im alten Stall begleitet hatte.


In unseren Gesprächen kam ans Licht, dass er wartete. Er wartete auf eine Rückkehr nach Island – ein Gedanke, den ich ihm nie genommen hatte. Eine Hoffnung, die bisher offen blieb.

Als ich ihm schließlich sagte, dass diese Tür nicht mehr offen stand, geschah etwas in ihm. Die Trauer konnte sich vollenden. Er begann, sein Leben hier anzunehmen – in einem neuen Licht. 

In der neuen Umgebung unterwegs. Es ist einfach traumhaft hier!

Langsam wird es schon kühler

Dann wurde auch das Bewegungsthema klarer. Eine Trainerin aus der Islandpferdeszene sah sich sein Video an und sagte es deutlich:

„Trageschwäche. Dein Pferd bewegt sich im Kompensationsmuster. Er braucht Hilfe.“ Und plötzlich fielen alle Puzzleteile an ihren Platz.


Ich lernte: Doppellonge, Equikinetik und beginn die Trageerschöpfung zu verstehen. Ich fand eine hervorragende Physiotherapeutin, die die ersten Blockaden löste. Und ich begann, ihn wirklich zu sehen – körperlich, energetisch, ganzheitlich.


Winterpause - Hery guter Dinge und voll in seinem Element!

Im Frühjahr geht die Bodenarbeit los. Hier ist er an der Doppellonge

Hery war schon in diesem Zustand aus Island gekommen. Ich hatte es gespürt – aber nicht erkannt.

Und so hatten wir Zeit verloren. Doch: wir haben sie zurückgewonnen.


Diese Geschichte zeigt mir heute auch die Grenzen der Tierkommunikation.

Ein Pferd sagt nicht „Ich habe eine Trageschwäche“. Aber es zeigt Schmerz, Unwohlsein, Rückzug –und lädt uns ein, hinzusehen. Ebenso ist es wichtig, uns begleiten zu lassen, wenn wir es selbst (noch) nicht wissen können.


Gerade wenn man das erste eigene Pferd hat, ist es keine Schande, etwas nicht zu erkennen. Es ist menschlich. Und Teil des Weges.


Heute geht es Hery sehr viel besser. Die Behandlungen wirken. Die Lebenskraft kehrt zurück. Er beginnt, wieder mit Freude zu gehen – in Würde, in seinem Tempo.


Wenn ich ihn frage, wie es ihm geht, sehe ich ihn oft still sein, kauend, friedlich. „Alles hat seine Zeit“, sagt er dann. Und ich weiß: Er ist angekommen und ich auch!


So lernte ich Hery kennen. Das war das allererste Foto, dass ich von ihm machte, als er noch nicht uns gehörte. Es war Herbst 2023. Im Januar 2024 wurde er dann Teil unserer Familie...

(auf diesem Bild sind die Auswirkungen der Trageschwäche bereits sichtbar. Davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts..)

Unsere Abreise im August 2024 in  den neuen Stall. Der neue Stall befindet sich auf 700 m Höhe im Bayrischen Wald in Niederbayern.